Über Instagram habe ich die Autorin Cathryn Holister kennengelernt. Ihre Reels und Telefonate mit ihrer Figur Crofachx, einem Dämon aus der Hölle, sind legendär. Das Publikum des Berliner Radiosenders Radioplanet Berlin kürte sie 2023 zur Autorin des Jahres und verlieh ihr den „Planet Award„. Ihr Hörbuch „Aber der Kaffee in der Hölle ist einfach besser“ gewann in der Kategorie bester Podcast/bestes Hörbuch Silber.
Wie es der Zufall so will, lebt sie gar nicht weit weg von mir, nämlich im beschaulichen Detmold. Wir haben uns schon einige Male getroffen. Beim letzten Mal ist dieses Interview über ihr neues Buch, Dämonen, die Hölle, Klassenfahrten und über das Schreiben entstanden.
Inhalt
Interview
Liebe Cathryn, wir kennen uns nun schon eine Weile und haben uns ein paar Mal persönlich getroffen, aber viele meiner Leser:innen kennen dich noch nicht. Du bist Autorin, lebst auch hier im schönen Ostwestfalen und hast bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Stell dich und deine Bücher doch einmal ganz knackig vor: Wer bist du und was erwartet uns in deinen bisherigen Veröffentlichungen?
Hi Sonja, vor einigen Jahren habe ich tatsächlich mein Leben komplett umgekrempelt, um mich auf mein Autorendasein zu konzentrieren und der Umzug nach Ostwestfalen gehörte dazu. Ich bin hier geboren, habe aber einen Großteil meines Lebens in Hamburg verbracht, alles Mögliche studiert, eine ganze Reihe Jobs gemacht, geforscht und unterrichtet.
Dann kam mir in den Sinn, dass es meine wahre Berufung ist, Geschichten um zwei verrückte Dämonenmädels namens Cay und Mia zu schreiben, die im gehobenen Management der Hölle arbeiten und dort für reichlich Chaos sorgen.
In bisher zwei Romanen, „Inferno für Anfänger“ und „Inferno, Chaos und Komplotte“, drei Kurzgeschichtenbänden, den „Demon’s Diaries“ und dem Hörbuch „Aber der Kaffee in der Hölle ist einfach besser!“ kann man die zwei mittlerweile erleben, wie sie in allerhand skurrile Situationen geraten und ihren Kollegen, den himmlischen Bürokraten und überambitionierten Sterblichen gerne den letzten Nerv rauben. Insofern geht mein neuester Roman, „Die Farbe der Knochen von Alpakas am Strand“ über eine Schulklasse, die sich auf einer mysteriösen Insel mit einer bröckelnden Realität und mörderischen Tentakeln auseinandersetzen muss, in eine etwas düsterere Richtung, obwohl er quasi ein Spin-Off meiner Höllengeschichten ist. Bestimmte Figuren, Settings und Ereignisse knüpfen damit an die Welt von Cay und Mia an.
Das nenn‘ ich heißen Lesestoff! In welchem Genre bist du denn zuhause? Ist das Fantasy? Comic Fantasy? Oder Höllen-Fantasy?
Durch die merkwürdigen Wesen, die andersweltlichen Settings und die vorhandene Magie ist die Einordnung im Bereich Fantasy grundsätzlich nicht falsch. Es ist jedoch eine Fantasy, die sich sehr eng an bekannten Mythen und Konzepten, wie Himmel und Hölle, orientiert und sich zum Teil in der realen Welt abspielt.
Die Referenzen auf diese Mythen und Konzepte, wie z.B. Dantes “Inferno” greife ich dabei satirisch auf. Vom höllischen Verwaltungswesen bis zur Modernisierungsmaßnahmen der Höllenkreise gibt es allerlei Seitenhiebe auf unsere ganz alltägliche Hölle.
Ich fasse das meistens unter dem Begriff Fantasysatire, obwohl Urban-Portal-Comic Fantasy from Hell es wahrscheinlich akkurater treffen würde.
Bei „Die Farbe der Knochen …“ kommt nun erstmals auch ein Horroranteil hinzu, was mir viel Spaß gemacht hat, da ich dieses Genre auch gerne lese.
Auf dein neues Buch wollte ich jetzt auch zu sprechen kommen: „Die Farbe der Knochen von Alpakas am Strand“ ist ganz frisch im Periplaneta Verlag erschienen. Kannst du mir den Titel erklären? Worum geht es in deinem Buch?
Der Titel bezieht sich sehr konkret auf ein Ereignis im Buch, das stellvertretend für eine verzerrte Realität steht, in die jene Schulklasse hineingerät. Insgesamt ist es sehr vielschichtig, zeigt einerseits die Konflikte und Ängste unter den Schülerinnen und Schülern, die von persönlichen Tragödien, Mobbing und dem Versuch geprägt sind, sich in dieser Gruppe irgendwie zu behaupten. Andererseits gibt es jenes merkwürdige Setting, das die Ereignisse mehr und mehr bestimmt: Die Insel Hoogenhörn, die es eigentlich nicht geben sollte, obwohl sie eng mit dem ursprünglichen Reiseziel Helgoland verknüpft ist.
Dass hier etwas nicht stimmt, wird bereits am Anfang deutlich, wenn wir dem Schicksalsagenten Dormin begegnen, der damit beauftragt wird, die Realität wieder herzustellen, bevor diese zerfällt oder von merkwürdigen Tentakelmonstern gekapert wird. Letztlich geht es somit auch darum, wie wir Wahrheit und Realität konstruieren, inwieweit wir sie selbst bestimmen oder bestimmen lassen. Die Figur der Journalistin Vivian, die mit der Schulklasse auf die Insel gerät und dort ein Familiengeheimnis entdeckt, bringt die Verschiebung von Wahrheit und Realität besonders gut auf den Punkt.
Ich hatte übrigens große Bedenken, dass der Titel mit dem falschen Cover von vielen als Coming of Age Story oder Cosy Krimi missinterpretiert würde, daher war es mir wichtig, möglichst viele Tentakel mit drauf zu packen. 😀
Ich denke, das ist dir gelungen. Die Idee mit der Klassenfahrt und dem Mobbing klingt nach persönlicher Erfahrung. Was davon hast du selbst erlebt?
Das kaputte Klassengefüge, das bereits auf den ersten Seiten deutlich wird, habe ich in sehr ähnlicher Form erlebt. Ein Gruppengefüge, das durch Angst vor Erniedrigung, Narzissmus und Gleichgültigkeit geprägt ist, halte ich allerdings für etwas, dass nicht nur im Kontext Schule vorkommen kann.
Ich habe viele Rückmeldungen von Leuten erhalten, die selbst Mobbingopfer waren und sich mit den Protagonisten gut identifizieren konnten. Ich halte die Thematik daher für sehr aktuell, auch wenn diese persönlichen Erfahrungen bei mir schon lange zurückliegen. Hinzu kommt der Aspekt der Realitätskonstruktion, der mich sehr beschäftigt, insbesondere im Zusammenhang mit der Realität, die uns täglich in Medien und sozialen Netzwerken vorgesetzt wird. Vieles nehmen wir als Wahrheit an, das sich später als Fake herausstellt. Im Buch hat mich vor allem interessiert, wie solche Realitäten verinnerlicht werden.
Ab welchem Alter darf man deine Bücher eigentlich lesen? Sind die jugendfrei?
Grundsätzlich empfehle ich die Bücher ab 13/14 Jahren, wobei das sicherlich auch sehr individuell ist. Ich habe mit 12 z.B. Stephen King gelesen, was deutlich härter ist, als meine Bücher. Generell findet man in den Büchern keine expliziten Spice-Szenen und keinen Hardcore-Horror mit seitenlangem Gesplatter, aber dennoch fließt Blut und es gibt gewisse körperliche Interaktionen, also nichts, was 14jährige von heute nicht kennen 😉. Insgesamt reicht meine Leserschaft jedenfalls von 13 bis 80, wobei für jedes Alter vermutlich andere Aspekte interessant sind.
Du hast ja auch einen Spotify-Kanal, richtig? Was erwartet uns da? Und bekommen wir dein neues Buch da auch zu hören?
Einen eigenen Spotify-Kanal habe ich so nicht. Ich habe mein Demon’s Diaries Hörbuch „Aber der Kaffee in der Hölle ist einfach besser!“ über einen Anbieter hochladen lassen, der es dann auf Spotify, Amazon, Audible, YouTube Music etc. verfügbar gemacht hat. Das ist auch etwas kurios, da mein eigener YouTube Kanal so nicht direkt mit dem Hörbuch verknüpft ist.
Letztlich war für mich aber eh das Wichtigste, dass das Hörbuch auf möglichst vielen Plattformen verfügbar ist. Es ist eine besondere Produktion, in der ich nicht nur verschiedenen Demon’s Diaries Geschichten vorlese, sondern diese auch mit Hintergrundmusik, Sound- und Umgebungseffekten untermalt werden. Das ganze ist mit 2,5 Stunden und sechs Geschichten sehr kurzweilig. Für mich war es ein Experiment, das extrem gut ankommt, sodass ich zukünftig noch weitere dämonische Kurzgeschichten vertonen werde. Bei den Romanen sieht es da leider anders aus, denn die Verwertungsrechte – auch für Hörbücher – hat hier der Verlag, und der hat bisher wenig Begeisterung für ein solches Projekt gezeigt.
Das ist schade, aber gehört wohl zum Autorenleben dazu? Dein Autorenleben interessiert mich schon sehr, gerade weil du mir gegenüber ein paar Jahre Vorsprung und Erfahrung hast: Wie würdest du deinen Schreibprozess beschreiben? Wie fängst du ein neues Buchprojekt an und wie ist deine weitere Vorgehensweise?
Mittlerweile – besonders nach einer negativen Erfahrung mit der Erstfassung von „Inferno für Anfänger“, bei der ich jahrelang an einem Kapitel festhing – plotte ich Romane grob vor. Bei „Die Farbe der Knochen von Alpakas am Strand“ habe ich mir zunächst eine Mindmap mit Schlüsselereignissen, Personen und deren Eigenschaften erstellt, bevor ich angefangen habe. Die Erstfassung hatte ich dann in knapp zwei Monaten fertig. Zwei Menschen aus meinem engsten Kreis haben diese zu Gesicht bekommen, danach habe ich mehrere Überarbeitungsdurchgänge gemacht, bis Version 4.0 dann zu meiner Lektorin ging. Sie ist wirklich gut und ich gebe ihr meine Manuskripte grundsätzlich, auch wenn ich weiß, dass sie über den Verlag laufen.
Nach dem Lektorat gab es noch zwei weitere große Bearbeitungsdurchgänge, bevor ich das Manuskript zum Verlag geschickt habe. Aber auch vom Verlagsmanuskript bis zur Endfassung hat sich noch mal einiges verändert. Das Ganze hat übrigens knapp zwei Jahre gedauert, u.a. weil es mir wichtig ist, genügend Abstand zwischen den Durchgängen zu haben, was mir oft nicht leicht fällt. Kurzgeschichtenbände sind dagegen sehr viel schneller publizierbar. Für „Demon’s Diaries 3 – Die Höllenakten“ brauchte ich z.B. nur sechs Monate.
Den größten Stress verursachen mir am Ende übrigens grundsätzlich die Illustrationen und Spezialeffekte, die ich immer wieder in die Bücher einbaue. Bei den Infernobooks war es die bucheigene App, über die man virtuelle Inhalte wie Zusatztexte, Comics oder Soundfiles in den Büchern entdecken kann und diese Inhalte mussten natürlich nach Abgabe des Manuskripts noch alle erstellt werden. Genau wie die Programmierung. Bei „Die Farbe der Knochen …“ habe ich es mir etwas einfacher gemacht und „nur“ QR-Codes eingebracht, hinter denen Zusatzinhalte auf versteckten Websites zu finden sind. Ich weiß, das ist alles nicht nötig, um die Geschichten zu verkaufen, aber die wahnsinnigen Ideen wollen eben irgendwie umgesetzt werden und ich experimentiere einfach gerne.
Ich finde ja deinen Instagram-Kanal mit deinen Reels auch wirklich herrlich – du bist skurril, humorvoll und scharfsinnig. Diese Mischung spricht mich sehr an! Aber kommen wir mal zum Buchmarkt: Was ist dein Tipp für andere Schreibende, die auch von ihrem eigenen Buch träumen?
Den Buchmarkt gedanklich erstmal möglichst weit weg schieben 😉 – zumindest, wenn man seine eigenen Ideen umsetzen will. Dank Selfpublishing ist es ja mittlerweile möglich, auch abseits des Mainstreams zu schreiben und zu veröffentlichen und mit einem guten Marketing wird man auch dann Leser finden. Allerdings sollte man nicht erwarten, den nächsten Bestseller zu landen, selbst, wenn man bei einem Verlag unterkommt. Ferner sollte man nicht davon ausgehen, dass Bestseller irgendwas über die Qualität der Geschichte aussagen.
Also einfach machen, ein gutes Verhältnis zwischen Selbstbewusstsein und Selbstkritik finden und sich nicht so viel mit anderen vergleichen.
Abschließend habe ich noch eine Frage, die sich in zwei Bereiche aufteilt. Wo trifft man dich alles online und wo kann man dich persönlich treffen?
Vor allem findet man mich online auf Instagram unter cathrynholister_author. Außerdem gibt es jede Menge Kram zu meinen Büchern, Dämonen und mir selbst auf meiner Website inferno-books.com. Auf Facebook und YouTube bin ich zwar vertreten, aber nur selten aktiv.
2024 bin ich dafür bei verschiedenen Messen anzutreffen:
- der Bookplanet Onlinemesse von Radioplanet Berlin 10.7. – 18.8.,
- der Leseflair in Braunschweig 17.-18.8,
- dem Weekend of Hell in Oberhausen 31.8. – 1.9.
- und der BuchBerlin 21.9.-22.9.,
- geplante Lesungen sind bisher in Essen am 11.6. und in Köln am 13.6.
Wer ansonsten durch die Region Ostwestfalen/Lippe kommt, weil er z.B. den mystischen Externsteinen einen Besuch abstatten will, darf mich jederzeit gerne persönlich auf einen Kaffee einladen. 😀
Also ich freu mich schon auf unseren nächsten Kaffee! Du bist ja gut unterwegs – ich wünsche dir viel Erfolg und Freude für deine höllische Buchtour!
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1 Gedanke zu „Interview mit Cathryn Holister – dämonische Autorin aus Ostwestfalen“