Heldinnen des Darkadiums

Neulich schrieb ich über starke Heldinnen, was sie ausmacht und wie man mithilfe ein paar einfacher Fragen herausfindet, ob der eigene Text in punkto Feminismus Nachholbedarf hat (Bechdel-Test) – in dem Sinne, dass man weibliche Stereotype wiederholt und weibliche Rollen zementiert, anstatt sie aufzubrechen. Heute packe ich mir aufgrund dieser Überlegungen an die eigene Nase und stelle meine Heldinnen des Darkadiums vor.

Protagonistinnen des Darkadiums

Ich sage es direkt vorweg: Nur weil ich eine Frau bin oder weil ich mich mit Gender Studies und Feminismus beschäftige, heißt das nicht, dass ich nicht in dieselbe Falle tappe, wie viele andere auch! Diese patriarchalen Rollen- und Denkmuster sitzen echt tief in uns, auch wenn wir uns der Thematik bewusst sind. Auch wir Frauen sind Teil dieses Denksystems, und auch ich stolpere zuweilen im Alltag über Denkreflexe, die mir, wenn ich sie dann wenigstens erkenne, zu denken geben, z.B. ertappe ich mich dabei, wenn ich die recht offensiv-anzüglich gekleidete Kollegin auf dem Flur treffe, innerlich böse Dinge über ihre Intentionen zu unterstellen – ein Denkreflex, der mir weder zusteht noch überhaupt etwas angeht! Soll sie doch tragen, was ihr gefällt, so what?!

Diese kleine Einleitung erinnert mich selbst daran, trotz aller gebotenen Brisanz freundlich zu bleiben – auch mir selbst gegenüber. Wir sind alle nicht frei vom patriarchalen Denken, so gern wir es wären, aber ich versuche mein Möglichstes, bestehende Rollenbilder des Weiblichen zu durchbrechen und starke Heldinnen zu erschaffen, die nicht nur kämpfende Männer mit Brüsten sind. Im Folgenden stelle ich ein paar von ihnen vor.

Heldinnen aus „George und Deborah“

Drei Frauen treten stark im ersten Band meiner Trilogie, „George und Deborah“, auf: Deborah, Sophia und Xara. Über Letztere habe ich bislang wenig erzählt, dabei ist sie, wie mir nach dem Lesen des Manuskripts überdeutlich wurde, eigentlich DIE Schlüsselfigur für Protagonist George. Auch unabhängig davon habe ich mir vorgenommen, irgendwann ihr Origin-Geschichte zu erzählen. Aber zunächst widme ich mich der arbeitstitelgebenden Heldin „Deborah“.

Deborah de Rohan

Im Augenblick stecke ich mitten in der Überarbeitung des Manuskriptes und beschäftige mich intensiv mit Deborah. Ihre Rolle und ihre Point-of-View-Kapitel sind in diesem Rahmen sprunghaft angestiegen. Ihre Backstory existiert natürlich schon lange stichpunktartig in meinem Notizbuch, aber ich habe mich nun entschlossen, viel mehr von ihrer Geschichte zu erzählen, um ihr mehr Tiefe zu geben.

Heldinnen im Darkadiums Deborah 1
Bild: Canva Pro

Ihre Geschichte hat es in sich und ist etwas völlig anderes als meine Testleser:innen es von meinen anderen Geschichten her kennen. Es gibt kaum ein Kapitel von ihr, in dem kein Blut fließt und/oder jemand gewaltsam zu Tode kommt. Außerdem erlebt sie sexualisierte Gewalt, und ich sage das bewusst, um alle zu warnen, auf die das triggernd wirkt. (Nachdem ich Content Notes lange für überflüssig hielt, habe ich meine Meinung dazu inzwischen geändert. Die Gewalt in dem Buch hat außerdem einen kultisch-satanistischen Charakter.)

Deborah ist die wichtigste weibliche Figur im gesamten Darkadium und spielt eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Geschichte. Ihr Weg nimmt einige Wendungen und wird Romance-Leser:innen wahrscheinlich nicht immer gefallen. Der Arbeitstitel „George und Deborah“ suggeriert zwar eine Romanze und eine gewisse Dynamik ist durchaus vorhanden, aber das Buch und die Beziehung zwischen den beiden ist deutlich mehr als das. Ich versuche, sie hier vorzustellen, ohne zu spoilern, aber der Grat ist schmal.

Deborah stammt aus einer deutsch-französischen Druidenfamilie und ist die Mutter von Devan, der in Band 1 als kleiner Junge auftritt und in Band 2 als Mitt-Zwanziger eine Rolle spielt. Devan ist im Grunde die erste Figur des Darkadiums, die ich erfunden habe, und die gesamte Trilogie, die Bethlen-Wölfe und alles, woran ich im Augenblick schreibe, ist seine Origin-Geschichte. Und die fängt mit Deborah an, seiner Mutter.

Sie war von Anfang an die Mutter, die keine sein wollte, aber trotzdem alles tut, um ihren Sohn vor seinen Verfolgern zu beschützen, und sie war von Beginn an eine Kriegerin, die an Georges Seite kämpft. Irgendwann entwickelte sie sich zu seinem love interest und ist es auch jetzt noch, allerdings verschiebt sich bei der aktuellen Überarbeitung der Fokus weg von der Love-Story, denn Deborah ist mir viel zu wichtig, als dass ich sie in der love-interest-Rolle versauern lassen würde.

Sie lässt sich wahrscheinlich am besten mit dem Trope female rage in Verbindung bringen. Auch das ist etwas, das mir bei der jüngsten Durchsicht klargeworden ist, und das ich aktuell noch besser herausschäle.

Im ersten Band begleiten wir sie zunächst zu Beginn ihrer ungeplanten Schwangerschaft, dann über die Geburt bis zu ihrer Flucht mit einem Kleinkind quer über den gesamten Erdball, bis sie auf George trifft, mit dem sie nicht nur ein Feind verbindet. Alles in allem ist sie eine sehr starke, von Überlebenswillen und Wut getriebene Figur, doch besteht sie den Bechdel-Test, den ich hier angesprochen habe?

Nach der Durchsicht der letzten Manuskriptversion muss ich eingestehen, dass sie den nur knapp besteht, also mit 3- und zwei zugedrückten Augen. Außer ihr treten an weiblichen Figuren noch Sophia Bethlen, Abby Blackwood und Xara auf. Xara begegnet sie nicht, weil ihre Geschichten in unterschiedlichen Zeiten und Dimensionen spielen, und Abby begegnet sie nur am Rande. Abby spielt in diesem Buch auch nur eine untergeordnete Rolle, daher bleibt zu meiner Ehrenrettung lediglich ein wichtiger Dialog zwischen Sophia und Deborah, der sich aber zum Teil auch um George dreht, was also auch nicht so wirklich passt – zumindest genügt es meinen Ansprüchen nicht.

Deshalb baue ich gerade Deborahs und Sophias Rolle aus, was im Grund sehr gut passt, denn auch sie sind beide durch einen gemeinsamen Feind und gemeinsame Wurzeln miteinander verbunden.

Mehr verrate ich an dieser Stelle nicht über sie, aber ich bringe eine exklusive Textstelle aus dem ersten Kapitel mit:

Sie nahm das Rivanol heraus und würgte eine ganze Handvoll Tabletten hinunter. Wenn sie jetzt starb, hatte dieser Albtraum ein Ende. Sie sah zu ihrem Bauch und fühlte die brennende Hitze des Kindes darin.
»Fahr zurück in die Hölle«, flüsterte sie.

aus: „George und Deborah“

Sophia Bethlen

Sophia tritt in all meinen Geschichten auf. In „Tango und Tod“ lernen wir sie als Wahrsagerin, Tänzerin und Schlangenbeschwörerin kennen. Hier heißt sie noch „Sophia Mendoza“ und Tamás verliebt sich unsterblich in sie, nicht ahnend, dass sie die Tochter einer bedeutenden Blutlinie ist, ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen.

Sophia ist die Geheimnisvolle, Mystische. Sie verkörpert im Gegensatz zur Kriegerin Deborah, die Mutter wider Willen ist, eine weibliche Urkraft und in gewissem Rahmen auch den Archetyp der femme fatale. Im Lauf der Bücher heiratet sie Tamás und wird Mutter seiner drei Kinder. Sie steht mit gewissen Mächten in Verbindung und verfügt über hellseherische und magische Fähigkeiten. Dabei hat sie das Wohl ihrer Familie und Freunde im Blick, aber auch das Gesamte. Sinnbildlich und archetypisch ist sie die Verführerin und die Mutter.

Da sie sehr mächtig ist und viele Hintergründe kennt, die Leser:innen und anderen Figuren verborgen sind, ist es nicht immer leicht, sie plastisch darzustellen. Das hat auch das jüngste Probelesen von „Tango und Tod“ gezeigt: Sie ist bisher kein Erzählcharakter und wirkt distanziert und kühl, trotz ihrer erotischen Ausstrahlung auf Tamás. Bei der nächsten Überarbeitung werde ich daran ein bisschen feilen, denn sie ist natürlich auch ein herzlicher und mitfühlender Charakter und wichtige Ratgeberin für Tamás, George und auch Deborah.

Flamenco-Tänzerin in sinnlicher Pose
Bild erstellt mit Canva Pro

Sie hat durchaus auch eigene Konflikte, zum Beispiel mit ihrer dominanten Mutter Emanuelle. Bei den Bethlen-Wölfen lernen wir sie als Mutter kennen, die alles tun würde, um ihre Kinder zu beschützen, z.B. wenn sie sich auf die nicht ungefährliche Suche nach ihrem Sohn Andór begibt.

Als Textauszug habe ich eine Szene aus dem Manuskript von „Tango und Tod“ mitgebracht:

Sie verschmolz mit der Musik, sie war eins mit der Melodie. Jede ihrer Bewegungen war ein Beweis ihrer Grazie und Eleganz, sie selbst die Göttin der Sinnlichkeit. Die Menge lag ihr zu Füßen, wie er an den verträumten Gesichtern der Umstehenden erkannte. Sie strahlte Feuer und Magie aus und ihr Kleid flog wild um sie und schmeichelte ihren Kurven. Tamás lockerte seine Krawatte. Über die Köpfe der Zuschauer hinweg traf ihr Blick seinen. Die Zeit hielt den Atem an. Zwischen ihnen entstand eine Brücke, geformt aus den Noten der Musik und einem Gefühl, das Tamás in seinem Innersten berührte. In ihrem Blick lag Erkennen, in ihren leicht geöffneten Lippen das Versprechen eines Kusses. Sie war Sophia Mendoza, die Frau von dem Zirkusplakat.

aus „Tango und Tod“

Xara

Xaras Rolle ist im Lauf der letzten Überarbeitungen extrem gewachsen. Sie ist eine Figur aus Georges Vergangenheit und tritt in den Rückblick-Kapiteln auf. Sie ist sein wichtigster Sparring-Partner, seine beste Freundin, seine Kommandantin und sie ist in ihn verliebt.

Wie ernst es um die beiden steht, die sich in den Rückblick-Kapiteln näherkommen, war mir bis zum Lesen gar nicht so sehr bewusst. Das jüngste Lesen hat mir gezeigt, dass lange Ruhephasen auf jeden Fall ihren Sinn haben, denn mir wurde klar, dass die Beziehung zwischen George und Xara sehr tief geht und es eigentlich die schönere Liebesgeschichte ist als die, die er mit Deborah teilt. Slow Burn heißt hier das Zauberwort.

Heldinnen des Darkadiums - Xara - schwarze Frau in Lederrüstung von unten fotografiert
Bild erstellt mit Canva Pro.

Xara ist Vargoth-Darkadierin, aufgewachsen als Kind in den Minen erlangte sie per Zufall und weil sie sich als zäh erwies, die Chance, zur Kriegerin zu werden. Derzeit spiele ich mit dem Gedanken, ihre Origin-Geschichte in einer Novelle zu erzählen. Sie ist eine person of colour, groß und stark gewachsen und durch und durch Kriegerin. Sie ist dabei gerecht, klug und empathisch, scheut sich aber nicht davor, harte Entscheidungen zu treffen oder hinzunehmen. Sie hadert wenig mit ihrem Schicksal, das nicht leicht ist.

Sie ist in vielen Dingen Deborah ähnlich, doch im Gegensatz zu Deborah hält sie ihre Wut unter Kontrolle – wie lange sie das schafft, werden wir noch sehen. Hier ein Textauszug aus „George und Deborah“, in dem ich das only-one-bed-Trope untergebracht habe:

»Ich beiße nicht, George. Meinst du, wir überleben eine Nacht in einem Bett?«
Xara legte ihre Lederrüstung ab, zog ihre Hose aus und wusch sich in der tönernen Waschschüssel das Gesicht. Sie trug nur eine kurze Leinentunika darunter, was ihm viel zu wenig war. Nicht, dass er sie noch nie nackt gesehen hatte, aber es war ihm unangenehm, das Bett mit ihr zu teilen. Unschlüssig blieb er im Türrahmen stehen. Sie bemerkte seinen Blick und lächelte.
»Mach dir nicht ins Hemd, George. Ich bin todmüde. Du musst vor mir keine Angst haben. Das mit dem Ins-Bett-Befehlen gestern war blödes Gerede, das weißt du, ja? Wir haben außerdem ganz andere Probleme mit diesem Auftrag«, erklärte sie.

aus „George und Deborah“

An Xaras Rolle arbeite ich aktuell auch sehr intensiv, denn sie soll natürlich nicht nur die Frau sein, die (unglücklich) in George verliebt ist. Sie ist ein starker, unbeugsamer Charakter, der bereits viele Verluste im Leben erlitten hat und dennoch weiterkämpft.

Frauen im Darkadium

Neben diesen drei Frauen treten noch viele weitere Frauen auf, über die ich heute noch nicht zu viel verraten will. Den hier genannten gilt aktuell meine größte Aufmerksamkeit; sie sind alle drei faszinierende Figuren, die durch ihre jeweilige Verletzlichkeit zu Stärke finden. Mit der nächsten Überarbeitung werde ich das noch mehr herausschälen.

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Foto des Autors
Sonja Tornefeld studierte Allgemeine Literaturwissenschaft, Germanistik und Medienwissenschaften. Sie ist Fantasy-Autorin und passionierte Buchliebhaberin, großer Fan von Hobbits, Vampiren, Drachen, Metal und allem Magischen. Sie lebt mit ihrem Mann und vier Kindern in der Nähe des Teutoburger Waldes.

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