Ein dystopischer Roman scheitert. „Wasteland“ von Vogt und Vogt.

„Wasteland“ von Vogt und Vogt ist ein dystopischer Roman und das erste Buch meiner Lesechallenge „52 Bücher in 52 Wochen“, das ich abgebrochen habe. Trotzdem stelle ich es hier vor, zum einen, weil es natürlich auch andere Meinungen zu dem Buch gibt, und zum anderen, weil ich auf diesem Blog nicht nur positive Rezensionen schreiben will. Warum ich diesen dystopischen Roman abgebrochen habe und ich vieles einfach nicht gelungen finde, erkläre ich im Folgenden.

Ein paar Worte vorweg über negative Rezensionen

Ich möchte vorweg schicken, dass diese Rezension lediglich meine ganz persönliche Leseerfahrung und Meinung spiegeln und nichts über den Wert des Buches aussagt, geschweige denn über die Autoren oder die Qualität ihres Schaffens.

Es liegt mir fern, jemand „in die Pfanne zu hauen“ oder einfach nur im Netz herumzupöbeln. Dafür habe ich auch weder Zeit, noch würde mir das irgendeine Art von Genuss bereiten. Wenn Sie jetzt zufällig Autor oder Autor:in dieses Buches sind: Bitte nehmen Sie diese Kritik nicht persönlich. Sie ist definitiv nicht so gemeint!

Ich könnte ja Bücher, die mir nicht gefallen, einfach gar nicht erwähnen, aber das wäre irgendwie auch nicht authentisch, besonders in einer Zeit, in der positive Rezensionen massenhaft gekauft werden. Wenn es vielleicht ein Trost ist: Ich habe mich doch sehr an dem Text gerieben und war selbst ein bisschen schockiert, dass er mir nicht gefallen hat. Denn ich wollte dieses Buch gut finden!

Allen Leser:innen möchte ich deshalb ungeachtet meiner Rezension ans Herz legen, dieses Buch selbst zu lesen um sich ein eigenes Bild zu machen. Meine Bewertungskriterien habe ich hier zusammengefasst.

wasteland buch vogt und vogt

Eine Frau mit einem Motorrad – Ein Mann mit einem Baby – Eine Gang mit einem Schaufelradbagger – eine Dystopie mit packendem Endzeit-Setting: Die alten Regeln gelten nicht mehr, seit drei Kriege und das Wasteland-Virus die Menschheit beinahe ausgelöscht haben. Marodierende Banden beherrschen das Land, und auf dem freien Markt sind Waren nur im Tausch gegen Gefallen zu haben.
Um an Medikamente zu kommen, lässt sich die herumreisende Laylay auf ein Geschäft ein: Weil sie als Einzige immun gegen das Virus ist, soll sie den Marktbewohner Zeeto in der Todeszone aufspüren. Als sie ihn findet, ist er bereits infiziert. Zudem hat er etwas in einer geheimen Bunker-Anlage gefunden: ein Baby. Und obwohl das Virus Laylay nichts anhaben kann, beginnt sie sich zu verändern …
Eine postapokalyptische Utopie auf den Ruinen eines zerstörten Deutschlands.

Rezension – Buch abgebrochen!

Es waren der Klappentext und das Cover, die mich bewogen, „Wasteland“ von dem Autoren-Duo Judith C. Vogt und Christian Vogt zu kaufen. Ich stehe auf Dystopien und auf Steampunk – beides Dinge, die sich bei der Aufmachung förmlich aufdrängen. Ich fühlte mich an Mad Max erinnert, und ich fand es total cool, einmal einen dystopischen Roman in Händen zu halten, der in Deutschland spielt, nachdem der Film- und Buchmarkt mit amerikanischen Endzeitentwürfen sehr übersättigt ist.

Und dann habe ich es nur bis Seite 61 geschafft.

Warum?

Ja, das habe ich mich auch gefragt.

Es packte mich nicht. Ich dachte erst, es liegt an mir.

Dann begann ich, über die Klappentexte, die Triggerwarnung und die Danksagung irgendwie mehr Hintergründe zu erfahren und herauszufinden, was mich an diesem Buch so dermaßen nervt, dass ich mich gezwungen sah, es abzubrechen.

Warum tat mir das Umblättern so weh? Zwei Tage zuvor hatte ich ein 400-Seiten-Buch innerhalb von 24h verschlungen! Ich lese viel und schnell, aber hier blockierte alles, und bei jedem zweiten Satz krochen so fiese Kommentare in meinen Kopf („Och nö…“, „Nee…“, „Oh nein, bitte nicht.“)

Das kenne ich von mir einfach nicht.

wasteland vogt rezension

Die Grundidee, Setting und Charaktere gefallen mir allesamt. Aber es sind vor allem die Erzählform und die Sprache, die mich nerven.

Die Dystopie als genderneutrale Utopie

Dazu muss ich jetzt ein bisschen ausholen: Das Autorenduo hat sich auf die Fahne geschrieben, einen genderneutralen Roman zu schreiben. Das habe ich dann bei der Recherche über das Buch herausgefunden. Eigentlich versuche ich völlig unbefangen an ein neues Buch heranzugehen, also ohne dass ich vorher darüber gelesen habe.

Gendersprache also. Ok: Find ich gut! Ich habe Literaturwissenschaften studiert, Gender Studies war ein zentrales Thema. Da fühle ich mich zuhause, und ich mache das auch alles mit – Gendersternchen usw.

Ich finde auch, so Sachen wie „die Boss“ zu schreiben, sind absolut in Ordnung. Das ist neu und etwas ungewohnt, aber endlich macht es jemand! Das war noch kein Grund, das Buch beiseite zu legen.

Show, don’t tell!

Was mir viel mehr auf den Zeiger gegangen ist, ist die viele Erklärerei und der überhöhte Anspruch, der ja sicher nett gemeint ist, mir aber das Lesevergnügen unerträglich gemacht hat.

Was meine ich damit? Stichwort „Erklärerei“: Natürlich muss man bei einem dystopischen Roman das Worldbuilding erklären. Was mir sauer aufstieß, war, dass von Zeeto recht bald erzählt wurde, dass er an einer bipolaren Störung leide und auf gewisse Tabletten angewiesen ist.

Dann erfahre ich, dass der Vater Laylays der Sohn einer Ärztin ist und von ihr das Mischen von Medikamenten erlernt hat. (Medikamente, die auch 30 Jahre nach dem Zusammenbruch noch wirksam sind, alles klar. Zufällig kenne ich eine Apothekerin, die mal zur Wirksamkeit von abgelaufenen Medikamenten befragt habe. Die Autoren Vogt hätten das vielleicht auch tun sollen. *hust*)

Ich tue mich hier mit dem gesamten Umstand schwer.

wasteland vogt rezension

Wir befinden uns im Jahr 2064, mehrere Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der Welt. Laylays Vater hat selbst kein Medizinstudium absolviert, und auch sonst keine der Figuren. Und doch wird dem Jungen eine bipolare Störung diagnostiziert.

Hm. Ich bin jetzt auch keine Ärztin, aber eine bipolare Störung kann man meines Erachtens nicht so einfach diagnostizieren. Schon gar nicht im Jahre 2064 nach dem Zusammenbruch der Welt. So eine Diagnose braucht mehrere Sitzungen und Untersuchungen, hier wird es uns einfach so vor den Latz geknallt. Es mag wichtig und für die Vision der Autoren – für ihre Utopie in der Dystopie – ausschlaggebend sein, dass Zeeto an einer bipolaren Störung erkrankt ist.

Mich stört noch nicht einmal der Umstand, dass es so ist und die darin eine Message haben. Es ist einfach zu einfalls- und lieblos erzählt, sorry. Die Grundregel des Schreibens ist: Show, don’t tell! Also erzählt mir nichts von Bipolarität, ZEIGT es mir, lasst mich als Leserin mitdenken, miträtseln. Lasst mich den Charakter entdecken!

Diese Diagnose war das erste, was mir sauer aufstieß. Dazu kommen besonders die tagebuchartigen Kapitel von Zeeto, der so schreibt, wie er denkt. Wie ein Lasergehirn auf Crack, sorry. Es ist keine Freude, dem folgen zu müssen. In Klammern eingeschobene Kommentare zu dem, was er gerade erzählt, sollen vielleicht ironisch oder vielleicht lustig sein – ich weiß es nicht. Aber sie nerven! Und sie stören meinen Lesefluss.

Natürlich unterstreicht diese Schreibart die Diagnose „Bipolarität“, schon klar. Aber sie ist mir so willkommen wie ein alkoholisierter Penner am Bahnhof, der mich um eine Kippe annuschelt.

Das hätte man anders und vor allem spannender lösen können! Ich finde Zeetos Erzählstil gar nicht per se schlecht, nur halt nervig. Da wäre ich als Lektorin bei so manchen Kommentar in Klammern eingeschritten. Oder ich hätte das Konzept mit den zwei Ich-Erzählern anders gemacht. (Ja, letzteres wahrscheinlich. Es entfaltet sich hier keine Spannung.) Wie auch immer: Guter Ansatz, aber die Umsetzung fällt bei mir durch. Ich werde nicht mitgerissen, sondern belehrt, und das mag ich als Leserin nicht.

Wenn Ideale wichtiger sind als die Geschichte, geht’s schief

Kommen wir zum Kritikpunkt „überhöhter Anspruch“. Tja. Ich bin davon überzeugt, dass mit diesem Buch eine Vision verknüpft ist. Die Autoren träumen von einer utopischen, genderqueeren und matriarchal strukturierten Kleingemeinschaft und nennen sie „Hopers“. Ich habe keinen Zweifel, dass im Vorfeld und während der Entstehung des Romans unglaublich viele Diskussionen bei Rotwein stattfanden und man viele Aspekte und wichtige Dinge mit transportieren wollte. Gleichzeitig wollte man wohl mit der Bipolarität noch irgendein Statement setzen.

Das ist auch völlig ok, kann man machen! Aber bitte nicht als dystopischer Roman! Nicht auf diese Weise. Bitte bitte nicht! Es passt 1. vorn und hinten nicht zusammen und obendrein ist 2. alles, was jemals mal an der Geschichte interessant war, inzwischen vor Langeweile skelettiert.

Das ist das Schlimmste: Es ist einfach langweilig.

Wenn man was zu transportieren hat, muss man eben erst einmal transportieren. Doch die Karre bricht leider schon auf Seite 10 zusammen.

Mich interessiert nicht einmal, warum Laylay immun gegen das Virus ist, oder was mit ihrer Mutter war. Die Dominanz von Nerv-Zeeto hat mein Interesse schon bis Seite 10 gekillt. Bis Seite 61 habe ich es nur deswegen geschafft, weil ich dem Buch noch eine Chance geben wollte.

Ich bin fast ein bisschen traurig darüber, wie man ein so geiles Setting und Charaktere so einfallslos und langweilig (aber politisch korrekt und gendergerecht) rüberbringen kann. Die Autoren haben ihre Geschichte getötet. Sie haben in dem Anspruch, etwas Großes, etwas Gendergerechtes und etwas Utopisches zu erschaffen, vergessen, dass das Wichtigste eine gute Geschichte und gut entwickelte Charaktere sind.

Deswegen ist mir als Leserin vollkommen egal, was für einen Anspruch sie hatten. Ich habe den Anspruch, gut unterhalten zu werden. Das gelingt diesem Buch leider nicht mit diesem Nebel des Anspruchs um es herum, den es dann nicht erfüllen kann, weil es beim Erzählen einer spannenden Geschichte schon scheitert.

Sorry, wenn das hart klingt. Mich erreicht dieses Buch nicht.

Leseprobe und weitere Rezeption

Eine kostenlose Leseprobe von „Wasteland“ von Vogt und Vogt kannst Du bei Google Books lesen. Da kannst Du Dir selbst ein Bild machen. Es mag sein, dass es Dir gefällt.

Bei amazon fallen die Kritiken teils-teils aus.* Einige finden das Buch spannend und erfrischend, andere lesen das Buch ähnlich wie ich – wirr, die Charaktere weder sympathisch noch gut entwickelt. Die Kritiker führen meist die Sprache als Barriere an, und dass sie keinen Zugang zu den Charakteren finden.

Andere Buchblogger sind gnädiger mit diesem Buch, einige sogar begeistert. Um zu diesem Buch auch eine andere Meinung zuzulassen: Hier kommt der Roman z.B. sehr gut weg!

Das Buch „Wasteland“ von Judith C. Vogt und Christian Vogt ist bei Knaur erschienen. Du bekommst es auch bei buecher.de*.

Hast Du es schon gelesen? Wie ist Deine Meinung zu dem Buch?

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Passionierte Buchliebhaberin, großer Fan von Hobbits, Vampiren, Drachen, Metal und allem Magischen. Lebt mit Mann, Kindern und Hund in der Nähe des Teutoburger Waldes und schreibt an ihrem Dark Fantasy Debütroman.

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