Es ist Weltfrauentag 2025 und ich kann nicht fassen, dass in Amerika systematisch Frauenrechte beschnitten werden, Frauen und ihre Errungenschaften von offiziellen Webseiten entfernt werden, dass das Wort „women“ aus Unwort aus Regierungs- und Gesundheitsseiten gestrichen wird, dass Abtreibungen verboten werden. Die Leute, die das machen, werden von unserer neuen Regierung ganz toll gefunden. Dabei gäbe es auch ohne diese antifeministischen Bestrebungen genug zu tun, wenn ich an den Gender Pay Gap, an die Benachteiligung von Frauen in medizinischer Forschung und an so viele weitere Ungerechtigkeiten denke, die strukturellen Sexismus in unserer Gesellschaft fest etabliert hat.
Ich habe 2006 meinen Abschluss gemacht, ein Schwerpunkt meines Studiums war Gender Studies und Frauenforschung. Ich habe die Entwicklungen der letzten Jahre sehr begrüßt und stelle nun mit Entsetzen fest, dass sämtliche Errungenschaften auf dem Prüfstand stehen, dass unsere neue Regierung mit deutlichem Männerüberschuss regiert und dass ich dieselbe Aufklärungsarbeit leisten muss, die ich eigentlich schon innerlich abgehakt hatte, weil ich dachte, dass wir schon viel weiter wären. *seufz*
All das belastet mich gerade sehr, ich sehe düstere Schatten am Horizont aufziehen, die sich immer und immer wieder um den Umstand drehen, dass wir Frauen sind. Dass unsere Anatomie es ermöglicht, dass wir schwanger werden und Kinder gebären können. Männer wollten das schon immer kontrollieren, schon die Kirche hat weibliche Körper systematisch zur Sünde erklärt und den eigenen Priestern das Zölibat aufgezwungen. In der Bigotterie in Amerika kann man sehen, wie sich das bis heute hält: Da beschweren sich tatsächlich Männer in Fitnessstudios darüber, wenn Frauen im bauchfreien Top Sport machen, weil es sie in Versuchung führt. Und die machen sich dann ernsthaft keine Gedanken, dass es ihre eigene Projektion ist. Das ist Rape-Culture und Victim-Blaming in Reinkultur.
Dazu ein anderes Beispiel: Bei einem Protestmarsch vor einigen Jahren ging ein Mann nackt in einem Frauenmarsch mit. Er hielt ein Schild hoch, auf dem stand: „Ich bin nackt und fühle mich sicher und beschützt. Ich wünsche mir dasselbe für Frauen.“
Kannst du dir vorstellen, als Frau nackt innerhalb einer Gruppe Männer zu gehen? Ich kann es mir für mich nicht vorstellen. Da wäre mindestens einer dabei, dessen Blick mir unangenehm wäre. Und genau das ist Rape Culture. Und ja, es sind nicht alle Männer, aber immer Männer!
Dieses Bild damals (ich finde es leider nicht wieder) hat mich nachhaltig beeindruckt. Leider ist unsere Gesellschaft noch lange nicht so weit, ich beobachte aktuell eher Rückschritte. Wir warnen unsere Töchter vor möglichen sexuellen Übergriffen und trauen Männern nicht. Auch Männer trauen Männer nicht – warum wird auch sonst immer das Narrativ bemüht, Männer mussten Frauen vor fremden Männern beschützen? (Übrigens leiden inzwischen extrem viele Männer unter dem Patriarchat, aber das ist nochmal ein ganz eigenes Thema.) Noch ein Beispiel: Anlässlich der Karnevalspartys hat die Stadt Paderborn in einem Instagram-Post (Frauen) gewarnt, ihre Getränke im Auge zu behalten, um eine Verabreichung von K.O.-Tropfen zu umgehen. Ist ja nett gemeint, aber das kann es doch wohl nicht sein?
Als Frauen stellen wir die Hälfte der Weltbevölkerung und werden seit Jahrhunderten systematisch klein gehalten, unterdrückt und allein gelassen, wenn wir überfallen werden. Wir werden ermordet. Und während Merz und Co. verbal auf Migranten einprügeln, fragt sich niemand, was man eigentlich gegen Männer unternehmen sollte, denn Täter sind in den meisten Fällen Partner und Ex-Partner und das Motiv sind oft „übersteigertes Besitzdenken“ und „verletzte Gefühle“. Hä?
Ich bin es leid, diese Nachrichten zu lesen.
Ich bin es leid, auf meinen Drink aufpassen zu müssen und überhaupt bin ich es leid, dass ich jedes Mal, wenn ich ein Parkhaus betrete, Angst habe.
Ich bin es leid, Umwege laufen zu müssen, weil sie sicherer sind.
Ich bin es leid, in Sicherheitsfragen auf mich allein gestellt zu sein.
Ich bin es leid, dass meine Töchter genau dasselbe vor sich haben, dass sich in dreißig Jahren NICHTS getan hat, sondern es so schlimm, dass einen die Stadt davor warnst, dass K.O.-Tropfen beim Karneval umgehen.
Ich bin es leid, dass die neue Regierung Frauen mitnichten repräsentiert, und dass CDUler offen darüber fantasieren, ob Frauen noch wählen dürfen sollten.
Ich bin es leid, von Vergewaltigungs-Chatgruppen zu lesen und ich bin es leid, dass Abtreibung noch immer im Strafgesetzbuch steht. (Über das Recht auf Abtreibung als Teil der Frauengesundheitsvorsorge könnte ich noch seitenlange Essays schreiben: Es ist ein bedingungsloses Recht, Punkt aus. Wenn Männer schwanger werden könnten, gäb es 24/7-Abtreibungs-Drive-Ins.)
Ich bin es leid, von alten weißen Männern regiert zu werden.
Ich bin das Patriarchat leid. Und du?
Einen schönen Blogartikel zum Thema Abtreibung und „The Handmaid’s Tale“ habe ich bei Aequitas et Veritas gefunden. Hast du auch einen Artikel zum Thema geschrieben? Verlink ihn gern im Kommentar!
Danke fürs Verlinken! 🌺
Ich stolpere mittlerweile auf sehr viele amerikanische Musikerinnen, die Songs zum Thema schreiben, z. B.:
https://youtu.be/eykJ4c1ebYQ?si=Nakn3YrRBCt9SHTF
https://youtu.be/OjTgUdQlLtI?si=O___gYqApJy05Mnc
https://youtu.be/fmgrjbxDYsA?si=hu-1Rwl7U8jwDPKK
Ich danke auch für die Musiktipps ❤. Später werde ich mit meinen Kindern zur Demo gehen. Ich bin es zwar auch leid, andauernd demonstrieren zu müssen, aber leider wird sich sonst wohl kaum etwas bewegen.
Liebe Grüße
Sonja